- Walter Osztovics
Arena Analyse - Risiken und Chancen für die Demokratie
Aktualisiert: 14. Nov. 2020
Am 1. Oktober 2020 wurde die Österreichische Bundesverfassung 100 Jahre alt – jene Verfassung, deren Artikel 1 lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“
Wie es allerdings im politischen Alltag um die Demokratie bestellt ist, darüber werden oft Klagen laut. Das 100-Jahr-Jubiläum der Österreichischen Bundesverfassung, hat daher der Oberösterreichische Landtag auf Initiative seines Präsidenten Wolfgang Stanek und dessen Stellvertreter DI Dr. Adalbert Cramer und Gerda Weichsler-Hauer gemeinsam mit der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) zum Anlass für eine Demokratie-Offensive genommen.
Das Ziel: Aktuelle Trends in der Demokratie sollen im Positiven wie im Negativen offen diskutiert werden. Wie verändert sich die Demokratie angesichts von Digitalisierung und Globalisierung? Mit welchen Bedrohungen müssen sich die Verteidiger der Demokratie auseinandersetzen? Wo gibt es Chancen für neue Möglichkeiten der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Geschehen?
Die Einladung zum Mitmachen ging an alle interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürger, an Institutionen, Verbände, Parteien und Medien.
Seit einigen Wochen läuft die lebhafte Online-Diskussion, an der sich auch eine Reihe von namhaften Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sowie aktiven und ehemaligen Akteuren der Politik beteiligt haben. Dabei kam eine ganze Reihe von spannenden Beobachtungen und interessanten Vorschlägen zu Tage.
In Österreich ist die Demokratie nicht grundsätzlich in Gefahr, so die nahezu übereinstimmende Meinung, aber eine ganze Reihe von Fehlentwicklungen gibt Anlass zur Sorge. Drei Cluster von Problemen werden besonders häufig genannt:
Der Verlust des Vertrauens in die demokratischen Institutionen und in die gewählten Politiker,
die drohende Zerstörung des öffentlichen Diskurses durch die sozialen Medien sowie
die schleichende Ausgrenzung von ganzen Bevölkerungsgruppen aus der demokratischen Mitwirkung.
Warum schwindet das Vertrauen in die Demokratie? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, zum Beispiel, dass die politischen Prozesse oft schwer durchschaubar und die Gesetze, die zuletzt herauskommen, für Normalbürger und -bürgerinnen nahezu unlesbar sind.
Außerdem haben die Regierenden ein wesentliches Versprechen in den letzten zwei Jahrzehnten nicht eingehalten, nämlich Wohlstand und Lebenschancen für alle Menschen zu garantieren. Jene Bevölkerungsgruppen, die zu den realen Verlierern der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche gehören, wenden sich deshalb auch von der Demokratie ab.
Der toxische Einfluss von Online-Foren auf den demokratischen Diskurs wurde oft beklagt. Im Demokratieforum tauchen dazu mehrere interessante Vorschläge auf, unter anderem die Etablierung von Online-Foren, die sich bewusst dem qualitativ-sachlichen Diskurs widmen.
Ein anderer Beitrag weist auf das enorme demokratiefördernde Potenzial von kommunalem Engagement hin: Wenn Menschen sich daheim, in ihrer Gemeinde, ihrer Stadt, ihrem Grätzel in Arbeitsgruppen treffen, denen echte politische Fragen zur Lösungsfindung übertragen werden, erfahren sie die positive Bedeutung aktiver Mitwirkung in einem Bereich, wo sie auch tatsächlich etwas zu sagen haben und Wissen einbringen können.
Als großes Problem wurde erkannt, dass ein beachtlicher Teil der Menschen, die in Österreich leben, arbeiten und Steuern zahlen, vom Wahlrecht deshalb ausgeschlossen sind, weil sie (noch) keine Staatsbürgerschaft besitzen. In Wien sind das zum Beispiel fast 30% der erwachsenen Bevölkerung. Das Problem entsteht, weil einerseits die Staatsbürgerschaft ein unverzichtbares Kriterium für das Wahlrecht darstellt, zum anderen aber der Erwerb der Staatsbürgerschaft in Österreich besonders schwer und langwierig ist. Hier sind Reformen dringend nötig, es ist nicht zumutbar, ein Viertel oder ein Drittel der Steuerzahler, die großteils schon seit vielen Jahren in Österreich leben und vorhaben, zu bleiben, von der demokratischen Mitwirkung auszuschließen.
Diesen Problemen stehen einige positive Trends gegenüber: eine Zunahme der direkten Partizipation, ein verstärkte Bereitschaft junger Menschen zum politischen Engagement (vor allem bei großen Themen wie dem Klimaschutz), ganz allgemein eine neue Lust an Innovationen im Bereich demokratischer Mitwirkung. Hier können die Bürgerräte und Citizens‘ assemblies genannt werden, die in den letzten fünf Jahren enorm an Zahl und Bedeutung gewonnen haben, oder die erfolgreichen Versuche mit Online-Bürgerbudgets (wie in Paris und Barcelona).
Die Corona-Krise hat die Veränderungen der Demokratie stärker sichtbar gemacht und beschleunigt, es handelt sich aber um längerfristige Trends, die durch kurzfristige Entwicklungen nicht grundsätzlich verändert werden.
Das Demokratieforum zumindest noch bis Jahresende. geöffnet, unter folgendem Link kann man jederzeit mitmachen oder die Originalbeiträge lesen.
https://ecomitee.com/login/Demokratieforum/374358/WelcheTrendsveraenderndieDemokratie