



Bürokratie, aber besser –
Effizienz und Legitimität im Fokus
Aufzeichnung des Workshops und Präsentation der Arena Analyse 2025
Universität Wien, Sky Lounge, 27. Februar 2025
Regulierung und Verwaltung stehen zunehmend in der Kritik, da Bürger*innen und Unternehmen den bürokratischen Aufwand als Belastung empfinden, während der Staat sie zur Steuerung und Rechtssicherheit benötigt. Die Debatte gewinnt an Bedeutung, doch pauschale Kritik greift zu kurz. Gefragt sind fundierte Reformen, die Verwaltungsprozesse vereinfachen, ohne Rechtsstaat und staatliche Leistungsfähigkeit zu gefährden.
Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, Kovar & Partners, DIE ZEIT und DER STANDARD haben Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu einem interdisziplinären Workshop eingeladen, um zentrale Herausforderungen und Lösungsansätze zu diskutieren.
Ulrich Brand eröffnet den Workshop mit einer Analyse der aktuellen Debatte zum Bürokratieabbau, insbesondere vor dem Hintergrund des neuen Industrial Deals der EU-Kommission. Bürokratie werde oft als Hindernis für Wettbewerbsfähigkeit betrachtet, während ihre stabilisierende Funktion vernachlässigt werde. Er betont, dass Bürokratie keine neutrale, homogene Struktur sei, sondern ein politisches Spannungsfeld mit internen Kämpfen um Einfluss und Gestaltungsspielräume.
Drei Thesen stehen im Mittelpunkt seiner Analyse: Erstens ist Bürokratieabbau ein wiederkehrendes Thema seit den 1960er-Jahren, das mit der neoliberalen Wende an Bedeutung gewann, wobei ihre Rolle für soziale Sicherung oft übersehen wird. Zweitens dient Bürokratieabbau häufig als politische Legitimationsstrategie, indem Regierungen Reformblockaden auf die Verwaltung schieben. Drittens prägt das Kosten-Narrativ die EU-Debatte, wobei wirtschaftliche Interessen dominieren und soziale sowie ökologische Aspekte in den Hintergrund rücken.
Brand schließt mit der Feststellung, dass Bürokratie nicht nur verwaltet, sondern aktiv politisch geformt wird – eine strategische Neugestaltung der Verwaltung werde jedoch kaum thematisiert.
Die Arena-Analyse von Kovar & Partners untersucht die zunehmende Bürokratiebelastung und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Aktuell verschärfen drei Faktoren das Problem: zahlreiche neue EU-Regulierungen, wirtschaftliche Herausforderungen und der internationale Wettbewerb. Während Bürokratie essenziell ist, um Standards zu sichern und Marktverzerrungen zu verhindern, kann ein unkontrollierter Abbau gravierende Risiken bergen.
Die Analyse identifiziert Bürokratiequellen wie gesellschaftliche Komplexität, Schutzbedürfnisse und Eigeninteressen beteiligter Akteure. Um Bürokratie effizienter zu gestalten, empfiehlt sie gezielte Maßnahmen wie Wirkungsanalysen neuer Vorschriften, bessere Einbindung der Betroffenen, Sunset-Klauseln, schnellere Genehmigungen und konsequente Digitalisierung. Ziel ist ein ausgewogenes System, das notwendige Regulierung mit minimalem administrativem Aufwand verbindet.
Professorin Sigrid Stagl analysiert in ihrem Vortrag die Wechselwirkungen zwischen Bürokratie und wirtschaftlichem Erfolg aus der Perspektive der institutionellen und ökologischen Ökonomie. Sie betont, dass Märkte als soziale Institutionen klare Regeln benötigen, um effizient und legitim zu funktionieren. Regulierung kann sowohl einschränken als auch ermöglichen und spielt eine zentrale Rolle bei Innovation und gesellschaftlicher Entwicklung.
Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen oft nicht aus, weshalb Märkte nicht nur korrigiert, sondern aktiv gestaltet werden müssen. Nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit entsteht nicht durch reine Kostenreduktion, sondern durch Innovation und Resilienz. Das Beispiel der Bürgerenergiegemeinschaft in Haunoldstein zeigt, dass Marktregulierung gezielt eingesetzt werden kann, um wirtschaftliche und ökologische Ziele zu verbinden.
Stagl schließt mit der These, dass Märkte institutionelle Konstrukte sind, die bewusst gestaltet werden müssen – entscheidend ist nicht das Ob, sondern das Wie der Regulierung.
Ulrike Huemer betont die Entbürokratisierung als Schlüssel für eine effizientere Verwaltung, eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft und eine spürbare gesellschaftliche Entlastung. Sie kritisiert, dass Österreichs Verwaltung noch stark vom traditionellen, aktengebundenen Modell Max Webers geprägt ist und nachhaltige Reformkonzepte fehlen. Bürokratische Hürden verursachen hohe Kosten, verzögern Genehmigungsverfahren und hemmen wirtschaftliche Dynamik.
Reformansätze umfassen einen strukturierten Abbau unnötiger Vorschriften, den Einsatz digitaler Technologien, eine moderne Führungskultur und eine stärkere Wertschätzung der Verwaltung. Erfolgreiche Entbürokratisierung erfordert einen partizipativen Ansatz, der Verwaltung, Politik und Wirtschaft einbindet, um Innovation zu ermöglichen, ohne Schutzinteressen zu gefährden.
Die von Petra Stuiber und Florian Gasser moderierte Diskussion hob die Arena-Analyse als wertvolle Initiative zur Identifikation politischer Herausforderungen hervor. Zentrale Themen waren die Fragmentierung der Verwaltung, mangelnder Austausch zwischen Institutionen und die Notwendigkeit einer effizienteren Bürokratie.
Während Deregulierung gezielt ineffiziente Prozesse beseitigen sollte, dürfen Schutzfunktionen nicht gefährdet werden. Die Verwaltung müsse als gestaltender Akteur agieren, statt nur als Regulierungsinstanz.
Reformansätze umfassen die Evaluierung bestehender Vorschriften, mehr Eigenverantwortung für Beamte, bessere Vernetzung zwischen Behörden und verstärkte Digitalisierung. Verwaltungsreformen sollten nicht auf Sparmaßnahmen reduziert werden, sondern Effizienz und Modernisierung fördern. Die Veranstaltung unterstrich, dass eine erfolgreiche Verwaltungsmodernisierung eine Balance zwischen Deregulierung, Strukturreformen und Digitalisierung erfordert.